Rendezvous mit Eisbären“ beim Spitzbergen-Marathon (Juni 2005)
Das runandfun-Team (Christian, Werner, Siegfried) startete beim nördlichsten Marathon der Welt auf Spitzbergen („Svalbard“ – so die norwegische Bezeichnung - ist eine Inselgruppe auf halbem Weg zwischen Nordkap und Nordpol auf dem 78° nördl. Breite und Stützpunkt für zahlreiche Arktis-Expeditionen).
Neben dem runandfun-Team (www.runandfun.org) nahmen Läufer aus aller Welt an diesem außergewöhnlichen Marathon teil. Die Einheimischen zogen es jedoch vor, über die kürzeren Distanzen wie 10km oder Halbmarathon zu starten. Das gesamte Teilnehmerfeld betrug somit ~ 150 Starter.
Die Strecke führte rund um die Hauptstadt Longyearbyen, wobei in Summe ca. 400 Höhenmeter zu absolvieren waren. Die unwirtlichen Bedingungen - Schotterstraßen, starker Gegenwind, Temperaturen zwischen –4° und –8°, Schneefall am Start - zwangen dabei einige Teilnehmer zur frühzeitigen Aufgabe. Um die Läufer vor etwaigen Angriffen durch Eisbären zu schützen, waren sämtliche Streckenposten mit Gewehren bewaffnet.
Das runandfun-Team finishte ex aequo an 4. Stelle hinter zwei Läufern aus Norwegen und einem Starter aus Litauen. In den Klassenwertungen belegte Christian Rang 1 (AK 45), Werner Rang 2 (AK 40) und Siegfried Rang 3 (AK 19-39).
Bis km 30 wurde das runandfun-Team durch den laufenden Reporter Uwe Ellger (Spiridon = größtes dt. Laufmagazin) begleitet. Anbei ein kleiner Auszug aus seinem Bericht:
........Unsere Freunde halten uns für verrückt. Jetzt wo uns die Meteorologen - wie schon seit Wochen - den Sommer versprechen, wollen wir in den hohen Norden und in die Kälte. Spitzbergen auch Svalbard genannt. Noch nie etwas davon gehört? Also vom kalten, verregneten München zwei Stunden Richtung Norden ins sonnige, warme Oslo. Dann weitere zwei Stunden nordwärts nach Tromsö. Waagerechter Regen bei 4°C. In den Bergen schneit es. Skipisten geöffnet. Also wie von den Freunden vorhergesagt. Von hier noch mal zwei Stunden nach Norden. Unter uns ein geschlossener Wolkenteppich. Plötzlich ein hellweißer Kegel aus den perlweißen Wolken. Mein norwegischer Sitznachbar erkennt in ihm die Spitze der Bäreninsel kurz vor Spitzbergen. Plötzlich zieht jemand die Decke zur Seite und ringsherum das schönste Panorama mit Gletschern und Schnee. Grünweiße, blauweiße und weißweiße Eisberge und Treibeisfelder wiegen sich in der tiefblauen See.
Wir landen in Longyearbyen, der Hauptstadt der Inselgruppe Spitzbergen. Lage 78°13`nord, 16° ost und nur noch gute 1000 km vom Nordpol entfernt. Wären wir dem Rat der Freunde gefolgt und anstatt nördlich nach Süden geflogen, so wären wir jetzt kurz vor dem Äquator. Spitzbergen wird seit 1920 von Norwegen verwaltet, hat eine Größe von etwa 65 000 km ˛ also in etwa wie Sri Lanka oder Bayern und weist eine Population von etwa 2500 Personen auf. ( Sri Lanka 18 Mio, Bayern 12,5 Mio). Allerdings wohnen hiervon in etwa 2/3 in unserem Urlaubsziel Longyearbyen (übersetzt Longyearstadt und benannt nach einem amerikanischen Kohlebaron, der in den 20er Jahren die hiesigen Kohlegruben gründete). Nur wenige dieser Gruben sind noch in Betrieb und werden von Norwegern und Russen betrieben. Auch verfolgen nur noch wenige Trapper die Eisbären, Robben, Walrösser, Rentiere und Polarfüchse. Das Leben ist hart. Die Natur gewaltig und erschreckend. Von Ende April bis Ende August geht die Sonne nicht unter. Von November bis Februar erhellen nur Mond, Sterne und das Polarlicht den Tag. Heftige Schneestürme und eisige Temperaturen erlauben nur wenigen Tier- und Pflanzenarten ein Überleben. Die fünf Baumarten erreichen bei Weitem nicht die Höhe der Gräser meines Rasens. 60% der Landesfläche sind von Gletschern bedeckt, 35% sind zumeist von Schnee bedeckte Geröllwüsten und nur auf 5% der Fläche – meist um die tief eingeschnittenen Fjorde herum gibt es ganz spärlichen Pflanzenwuchs. Außerhalb der Ortschaften gibt es weder Straßen noch Wege, nur absolute Einsamkeit und jetzt im Juni ein Licht, dass einem an den wenigen klaren Tagen den Atem verschlägt.
........... Wir sind hier so weit nördlich, dass Island, Alaska, der größte Teil Kanadas, Grönlands und Sibiriens weit im Süden liegen. Eigentlich ist alles hierdas nördlichste der Welt: Hotel , Geldautomat, Weinkeller, Pizzaservice, Golfhalle und auch der Marathon. Die Veranstalter haben einige große Probleme. Bekomme ich genügend Sponsoren? Wie wird das Wetter? Woher bekomme ich genügend Helfer für die überreichlichen Verpflegungsstationen in oft gräuslichem Wetter? Wo sind die Eisbären? Von denen gibt es in Spitzbergen doppelt so viele wie Menschen. Sie können jederzeit und überall auftauchen, aber nicht vorhersehbar. Es ist Pflicht außerhalb des Zentrums von Longyearbyen (dieses hat einen Durchmesser von 1 km) eine großkalibrige Waffe mitzuführen und zu beherrschen. Damit die Läufer nicht wie Biathleten erscheinen, werden sie von den Streckenposten geschützt. Es ist tatsächlich nicht nur witzig. Es gab genügend Todesfälle. Im letzten Jahr war der Lauf fast gestoppt worden. Der Bär konnte aber zuletzt mit dem Hubschrauber vertrieben werden.
Auf den langen Distanzen sind nur wenige Einheimische vertreten. Die Trainingsbedingungen bei einem Jahresmittel von -15°C, viel Schnee, kaum Wege und stets den Bär im Nacken steigern nicht die Trainingsmoral.
Das Motto des Laufs „ you won`t get it tougher“ bezieht sich weniger auf das Streckenprofil mit ca. 400 Höhenmetern, sondern eher auf das Klima mit Matsch, Schneeregen, Kälte und vor allem dem vermaledeiten Wind, der zu 90% von vorne kommt. Pünktlich zum Rennen frischte natürlich der Wind auf - für die Veranstalter war es ein moderate climate - für uns orkanähnlich mit einigen Schneeschauern. Beim Marathon wird ein Dreieckskurs mit zwei Wendepunkten zweimal durchlaufen. Ich danke noch mal dem Austriaexpress, dem ich mich bis zum Ende meiner Kräfte anschließen durfte, für den vielen Windschatten. Der Lauf der drei Jungs erinnerte an das Mannschaftszeitfahren des US- Postal- Teams bei der letzten Tour de France.
Überhaupt bringen unsere südöstlichen Nachbarn hier Riesenergebnisse. Letztes Jahr Platz 2 und 5, diesmal gar Platz 4- 6 (bzw ex aequo an 4. Stelle).
Die Organisation ist sehr gut, familiär und in dem kleinen Ort kennt man nach wenigen Tagen alle Offiziellen und die meisten Mitläufer. Ein interessantes, nettes Völkchen hat sich hier versammelt. Von der Laufstrecke hat man oft freie Sicht auf die hoch verschneiten Berge und Gletscher. Im Adventsfjord treiben Eisschollen. Diverse Möwen und Seeschwalbenarten begleiten uns. Gänse, Enten und Watvögel stehen oder schwimmen an der Strecke. Leider kein Wal oder Delfin zu sehen. Dafür kreuzt ein Polarfuchs. Die Eindrücke beim Lauf sind wunderschön auch wenn man schon mal für ein langsam querendes Rentier bremsen muss. Bei der liebevoll organisierten Siegerehrung im nördlichsten Full- Service- Hotel. der Welt halten wir uns dafür an einem seiner Artgenossen schadlos